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Denkmal für die Verfolgten der NS-MilitärjustizOlaf Nicolai

Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz

Die nationalsozialistische Militärjustiz verhängte während des Zweiten Weltkrieges mehr als 30.000 Todesurteile: gegen Soldaten, Kriegsgefangene sowie Zivilistinnen und Zivilisten, vor allem aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten in ganz Europa. Die meisten Todesurteile ergingen gegen Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“. Viele tausend weitere Soldaten starben nach kriegsgerichtlichen Urteilen in sogenannten Bewährungseinheiten an der Front.

Die bestraften Handlungen, Lebenswege und biografischen Hintergründe der Verfolgten sind sehr vielfältig. Vor den Militärgerichten standen politische GegnerInnen des Nationalsozialismus ebenso wie Menschen, die aus sehr unterschiedlichen Motiven individuelle Freiräume suchten. Jegliche Form der Widersetzlichkeit oder etwa die Unterstützung von Deserteuren durch zivile HelferInnen galten als politische Delikte und wurden mit härtesten Strafen geahndet.

Nach Kriegsende begegnete die österreichische Gesellschaft den Überlebenden dieser Verfolgung mit Ablehnung und Feindschaft. In Österreich hielt sich zwar lange der Mythos, 1938 das „erste Opfer“ deutscher Kriegspolitik geworden zu sein. Der Dienst in der „großdeutschen“ Wehrmacht galt jedoch als Pflichterfüllung oder gar als heldenhaft.

Angeregt durch historische Forschungen setzte sich erst ab der Jahrtausendwende die Erkenntnis durch, dass sich die nationalsozialistische Militärjustiz bedingungslos in den Dienst eines verbrecherischen Krieges gestellt hatte. Im Jahre 2009 rehabilitierte der österreichische Nationalrat mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der Volkspartei und der Grünen die Opfer der Verfolgung durch die Wehrmachtsgerichte, und 2010 beschloss die Stadt Wien die Errichtung eines Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz.

Die Skulptur Olaf Nicolais an diesem zentralen Ort der Republik Österreich greift die klassischen Elemente eines Mahnmals „Sockel“ und „Inschrift“ auf, arrangiert diese aber völlig anders als traditionelle Kriegerdenkmäler. Ein überdimensionales, liegendes „X“ bildet den dreistufigen Sockel, in dessen dritte Ebene die nur von oben lesbare Inschrift eingelassen ist. Der Text zitiert ein Gedicht des schottischen Künstlers Ian Hamilton Finlay (1925–2006), der mit wichtigen Vertreterinnen und Vertretern der sprachkritischen und experimentellen Wiener Künstlerszene wie etwa Ernst Jandl befreundet war. Das Zusammenspiel von Sockel und Inschrift inszeniert die Situation des Einzelnen in und gegenüber gesellschaftlichen Ordnungs- und Machtverhältnissen. Bedroht von Anonymisierung und Auslöschung, die ihn zum „X“ in einer Akte werden lassen, ist seine Position dennoch zentral.

„Dieses Denkmal erweist denjenigen Respekt, die eine eigene Entscheidung treffen, sich der Fremdbestimmung widersetzen und sich durch ihr eigenständiges Handeln gegen das geltende System stellen. Die Bedeutung der persönlichen Entscheidung, dissident zu sein, dieses aktive Moment, darin liegt für mich die Aktualität. Aus dieser Perspektive habe ich das überdimensionale, liegende X mit einer Inschrift auf der obersten Ebene konzipiert. Was geschieht mit demjenigen, der auf den dreistufigen Sockel steigt, um die Inschrift zu lesen? ‚all / alone‘ ist ein Text im Stil der experimentellen Konkreten Poesie – die nicht nur für eine kritische und engagierte Haltung einsteht, sondern besonders mit der Stadt Wien verbunden ist. Die Inschrift zeigt – im wahrsten Sinn des Wortes – die angedeutete Spannung zwischen Einzelnem und Gemeinschaft. Es geht um die Beziehung zu sich selbst, das ‚alone‘, die Bereitschaft, allein für etwas einzustehen. Den Text in englischer Sprache, der über den nationalen Rahmen hinausweist und für alle verständlich ist, liest man nun an einem Ort, an dem man von Institutionen des Staates umgeben ist. Die Frage nach der eigenen Position ist somit als eine sich immer wieder stellende unmittelbar und konkret erfahrbar.“ (Olaf Nicolai)

Ort

Ballhausplatz, 1010 Wien

Weiterführende Info

Künstler
Olaf Nicolai

*1962 Halle/Saale (DE), lebt und arbeitet in Berlin (DE).

Dieses Projekt wurde im Rahmen eines künstlerischen Wettbewerbs als Siegerprojekt gekürt. Für mehr Informationen folgen Sie diesem Link:

ZUM WETTBEWERB

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Denkmal für die Verfolgten der NS-MilitärjustizOlaf Nicolai

Zeitraum

Seit 24. Oktober 2014

U2, U3 Volkstheater; Straßenbahnen 1,2,D, Dr. Karl-Renner-Ring

Beton und Stahlbuchstaben
8,90 × 9,90 × 1,67 m

Vermittlung - Veranstaltungen

Vermittlung - Gedrucktes

Folder

Presse

Zu den Unterlagen

Links

deserteursdenkmal.at