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Temporär

MISSION W – Skulptur im Wienerwaldmehrere KünstlerInnen

MISSION W – Skulptur im Wienerwald

Ausgehend von ihrem geteilten Interesse an ortsspezifischen Ausstellungssituationen außerhalb des White Cube und dem fluiden Verhältnis zwischen Mensch, Objekt und Natur luden die Künstler­innen Eva Engelbert und Katrin Hornek neun weitere KünstlerInnen ein, Arbeiten für ein Waldstück im Wienerwald zu entwickeln: Barbara Kapusta/Noële Ody, Ludwig Kittinger, Ralo Mayer, Klaus Schafler, Susanne Schuda, Eva Seiler, Ekaterina Shapiro-­Obermair und Johanna Tinzl.

Der gewählte Ausstellungsort bei der Jubiläumswarte ist nicht nur ein beliebtes Naherholungsgebiet am Rande des 16. Wiener Gemeinde­bezirks, sondern auch Teil eines globalen Netzwerks. Der 2005 gegründete UNESCO-Bio­sphärenpark Wienerwald ist laut Definition eine zu erforschende Modellregion, in der nachhaltige Entwicklung auf ökologischer, ökonomischer sowie sozialer Ebene verwirklicht werden soll. Besonders der Mensch als Bestandteil der Bio­sphäre steht hierbei im Vordergrund. Zum prägenden Bestandteil wird der Mensch auch in der Geologie, welche die Zeitalter der Erde nach den Ablagerungen der Schichten im Boden klassifiziert. Dem Nobelpreisträger für Chemie und Atmosphärenforscher Paul Crutzen und dem Biologen Eugene F. Stoermer zufolge ist eine neue Epoche angebrochen: das Zeitalter des Menschgemachten, das „Anthropozän“. Die Menschheit hat das Ökosystem der Erde irreversibel verändert und ist zu einem geologischen Faktor geworden. Mensch und Natur können somit wiedervereinigt und als eines gedacht werden.

Das temporäre Ausstellungsprojekt MISSION W war als Versuchsanordnung konzipiert, um auf die gegenseitige Durchdringung von Gewachsenem und Konstruiertem, Kontrollierbarem und Ungewissem, von Geo-Engineering und Klimawandel zu reagieren – eine Mission in den Wald, auf der komplexe politische, soziale und historische Überschneidungen untersucht wurden. In diesem Zusammenhang stellten sich Fragen nach Rahmungen und Grenzen zwischen Natur und Kultur, aber auch nach den Wechselwirkungen, die innerhalb eines solchen Systems entstehen, wenn unterschiedliche Materialien wie Handflächen, Baumkronen, ein temporäres Rodungsvorhaben, Gehirnhälften und Computermäuse in Beziehung treten.

Die Herangehensweisen der teilnehmenden KünstlerInnen waren teils formal, teils konzeptuell. Einige Arbeiten änderten ihren Standort, schmolzen oder wurden von Tieren gefressen. Andere verwiesen auf vor Ort anzutreffende Objekte bzw. Bauwerke wie Infotafeln, Sitzbänke oder den unterirdischen NS-Gaugefechtsstand Wien, nach dem ehemaligen Gauleiter von Wien umgangssprachlich „Schirachbunker“ genannt. Neben historischen Anknüpfungspunkten spielten auch Experimente in hermetisch abgeschlossenen, sich selbst erhaltenden Ökosystemen – wie der amerikanischen Biosphere 2 und der sowjetischen BIOS-3 – eine Rolle2.

Klaus Schafler knüpfte an diese beiden Experimente an und kündigte auf einer Bautafel die fiktive Errichtung einer Forschungs­station an, die mittels Geo-Engineering ein Leben in künstlichen Lebensräumen erproben wollte.

Ralo Mayer positionierte einen verhüllten Block aus gefrorenem Wiener Hochquellwasser im Wald, der sich der jeweiligen Wetterlage entsprechend verhielt.

Ekaterina Shapiro-Obermair verwies mit drei skulpturalen Displays und einem im Internet abrufbaren Video auf einen topografisch ähnlichen Ort außerhalb des Wienerwalds: Gorki Leninskije bei Moskau, den Sterbeort Lenins.

Johanna Tinzl führte die BesucherInnen mit ihrem Hörspiel Positionsmeldung auf die Spuren des an der Oberfläche unsichtbaren „Schirachbunkers“. Der darin zentrale Kuckucksruf verband das vormalige „Zentrum des Luftwarnsystems der Ostmark“ mit der heutigen Naturschutzzone.

Angelehnt an Henry Moores Skulptur vor dem UNESCO-Hauptgebäude, die in Kooperation mit dem Pariser Regen entstand, beobachtete Katrin Hornek mit Wolke (Nephele) jene morphologischen Formfindungsprozesse, die durch die Biosphäre des Wienerwaldes hervorgerufen werden.

Ludwig Kittingers mobiler Pavillon war ein offener Raum im Raum und Basis für den Künstler, der während der Aufbauphase einen abgestorbenen Baum so lange abschliff, bis dieser sich als Holzstaub in alle Richtungen verflüchtigte.

Eva Engelberts Arbeit war ein skulpturales Artefakt ihrer Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit des Ortes. In einem Akt zwischen Zerstörung, Recycling und (theoretischer) Neuaktivierung dockte die Künstlerin bei der unsichtbaren Ruine des „Schirachbunkers“ an.

Susanne Schuda kreierte ein Totem zwischen moderner Selbstkonstruktion und einer Gemengelage aus mystifizierter Natur und psychologisierter Biochemie. Fiktive Tagebuchauszüge bildeten die Grundlage für Assoziationsketten aus Texten und Bildcollagen.

Barbara Kapusta und Noële Ody schufen zwei Objekte, die miteinander sprachen und füreinander gemacht waren – zwei Materialien, die den Betrachterinnen und Betrachtern Geschichten von Körpern, von Bewegungen, von An- und Abwesenheit erzählen konnten.

Ausgehend von ihrem Interesse an der Phyllomantie, die Zukunftsaussagen durch die Beobachtung des Rauschens und der Bewegung von Bäumen und Blättern trifft, entwarf Eva Seiler ein Orakelobjekt.

Die Ausstellung MISSION W wurde von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm begleitet, für das die KünstlerInnen Marlene Hausegger, Sabina Holzer/Jack Hauser und Emanuel Mauthe, die WissenschaftlerInnen Herbert Hoi, Erwin Riess und Alexandra Wieshaider und die TheoretikerInnen Heather Davis/Claudia Slanar und Raimar Stange einen Beitrag gestalteten.

Ort

Biospärenpark Wienerwald, 1160 Wien

Weiterführende Info

KünstlerInnen
Eva Engelbert, Katrin Hornek, Barbara Kapusta/Noële Ody, Ludwig Kittinger, Ralo Mayer, Klaus Schafler, Susanne Schuda, Eva Seiler, Ekaterina Shapiro-Obermair, Johanna Tinzl

Konzept und Projektleitung
Eva Engelbert, Katrin Hornek

Partners
Bundeskanzleramt, Wien Kultur (MA 7), Bezirk Ottakring

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MISSION W – Skulptur im Wienerwaldmehrere KünstlerInnen

Zeitraum

4. – 31. Oktober 2015

Bus 52B Jubiläumswarte

Vermittlung - Veranstaltungen

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