MigrantInnen, Naturpartisanen und wandernde Pionierpflanzen, Kulturfolger, Fresswege und Niederlassungen, Kahlschlag und Unkraut: Wenn Lois Weinberger in seiner „Feldarbeit“ das Pflanzenreich als Metapher für die Menschenwelt einsetzt, flirren die Bezeichnungen und Bezugsfelder leicht zwischen gut und böse, zwischen korrekt und inkorrekt hin und her.

Mit seinen ethnopoetischen Arbeiten begann Weinberger bereits in den 1970er-Jahren. Sie sind die Basis für seine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Natur- und Zivilisationsraum. International bekannt wurde Lois Weinberger durch seinen Beitrag Das über Pflanzen/ist eins mit ihnen auf der documenta X, 1997 in Kassel. Mitten in der Stadt bepflanzte er ein stillgelegtes Bahngleis mit heimischen Pionierpflanzen und eingewanderten Arten aus Süd- und Südosteuropa. Als Bild für die Migrationsprozesse unserer Zeit zählte dieser bunt wuchernde „Stadtgarten“ schnell zu einem der beliebtesten Werke der Kunstschau und blieb dort auch nach deren Ende.

Die Installation I-weed, YOU-weed, die Lois Weinberger für den Liftturm der Street Art Passage Vienna entworfen hat, hat einen ähnlich starken Ortsbezug wie seine Pflanzung auf dem Kasseler Bahngleis. Als Schriftarbeit schlägt die Installation die künstlerische Brücke zu den Tags, den Graffitis und vergänglichen Kommentaren, die in Wien besonders die angrenzenden Straßen des 7. Bezirks prägen und denen die Street Art Passage Vienna thematisch gewidmet ist. Weinbergers Arbeit nimmt sowohl deren Schriftlichkeit als auch ihre wuchernden, rauschartigen Aspekte auf und spiegelt sie ins innerstädtische Kulturareal des MuseumsQuartiers Wien hinein.

Die Werkidee geht zurück auf ein altes Pflanzenbuch, das über die enorme Samenproduktion des Bilsenkrauts berichtet: binnen fünf Jahren könne dieses Kraut leicht das gesamte Festland der Erde zudecken. Lois Weinberger begann daraufhin, das Wort Bilsenkraut zu konjugieren — also Ichkraut, Dukraut, Eskraut, Wirkraut und so weiter — und über das Blatt zu schreiben. Die jetzt gewählte Form in englischer Sprache reichert das Schillern der Wörter noch mit der Mehrfachbedeutung des Wortes „weed“ an, das „Jäten, Unkraut“ und „Marihuana“ bedeutet. In der Form der akkuraten Konjunktion liegt zudem ein Appell: Wer will, möge sich als Unkraut selbst ausmerzen.

Text: Vitus Weh