Der Blick von oben
Am Anfang der Ausstellung Significant Other stand ein Maßstabsmodell des Korea-Kulturhauses. 2014 hatten Imre Nagy und Isabella Kohlhuber eine Reihe anderer Künstler und Künstlerinnen eingeladen, mit ihnen für dieses Modell eine Skulpturenausstellung en miniature zu konzipieren. Diese Ausstellungsskizze war das Samenkorn für das im November 2015 realisierte Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekt.
Die künstlerischen Arbeiten knüpften an unterschiedliche Aspekte des Donauparks und seiner artifiziellen historischen Gestaltung an. Wie schon die Einladungskarte vermuten ließ, ging es den Künstlerinnen und Künstlern nicht um große Gesten, nicht um autonome Setzungen oder ein monumentales Einzelwerk, sondern um eine konzertierte mehrstimmige Bespielung und Umlagerung dieses an sich schon vielschichtigen Ortes. Auch die Vorgeschichte des Areals als Mülldeponie klang in einigen Arbeiten an, die das Terrain wie angeschwemmtes Treibgut oder liegen gebliebene Materialreste einer Baustelle besetzten. Gleichzeitig ergänzten sie die Architektur um neue Aufenthaltsorte oder virtuelle Projektionen.
Das Video Unidiverso der Künstlerin Belén, das auf die Steinflächen im Außenraum projiziert wurde, zeigte beispielsweise kleine bunte Plastikteile, welche die Künstlerin am Strand gefunden hatte und die zum Sound von „Das Synthie-Modul“ in einem Wasserbecken drifteten. Zu sehen war das Video an jener Stelle, an der ein bislang nicht realisierter Seerosenteich geplant ist.
In Sunah Chois Stahlgitterskulptur Landschaft Haus, die in ihrer Form einer 1:10-Maßstabsverkleinerung des nordöstlichen Gebäudeteils des Korea-Hauses entsprach, befanden sich fünf Objekte aus Stein bzw. Metall. Sie stellten formale Elemente wie Sonne, Mond und Berge auf abstrakte Weise dar und bezogen sich auf traditionelle Motive der koreanischen Il-Wol-Do-Malerei (일월도, Landschaft mit Sonne und Mond).
Christoph Meiers Vinylplane wiederum hing lose wie auf einer Wäscheleine über den freistehenden Stahlbetonträgern vor dem Irissee. Wie ein Überbleibsel einer Baustelle verdeckte die unregelmäßig blau bedruckte Plane einen Teil der Aussicht auf den See. Meier schloss sich so der den See rahmenden Geste der Architekten an, ließ diese aber in ihrer sperrigen Konstruiertheit deutlich sichtbar werden.
Steffi Alte hingegen kommentierte mit ihrem Portrait einer Architektur die eklektische Überfrachtung des Donaupark-Areals. In ihrer minimalistischen Intervention griff sie die einprägsamen konkaven Formen der von 1973 bis 1979 erbauten UNO-City auf, die unweit des Areals ein weiteres Beispiel für die Rhetorik eines Masterplans sind. Diese setzte sie mit der rahmenden Betonarchitektur des Korea-Kulturhauses in Bezug.
Andreas Perkmann Berger ergänzte die Gegenüberstellung von natürlicher und künstlicher Landschaft um den Begriff der virtuellen, erdachten Landschaft. In großformatigen digitalen Drucken zeigte er fotorealistische Landschaftsbilder, die bewusst künstlich und befremdlich blieben. Integriert in die Betonarchitektur, die den Pavillon erweitert, wirkten die Drucke wie Fortsetzungen der „echten“ Landschaft und knüpften an deren phantasmatische und skurrile Künstlichkeit an.
Roland Kollnitz kommentierte mit zwei weiß lackierten Stangen, die auskragend quer auf der Vorderfront des Korea-Kulturhauses auflagen, die großteils vertikal aufstrebende Umgebung des Ortes. Die freistehende Stahlbetonwand wurde geradezu zum Sockel für die Stangen umfunktioniert und in ihrer horizontalen Ausrichtung betont. In dieses Spiel aus vertikalen und horizontalen Momenten fügten sich die zahlreichen Hochhäuser der sogenannten Donauplatte ebenso ein wie die kleine Wasserfontäne im Irissee und der stelenhaft anmutende Donauturm, der 1964 als futuristischer Fake-Fernsehturm errichtet wurde.
Die Kuratorin und der Kurator des Projekts, Isabella Kohlhuber und Imre Nagy, waren bereits im Zuge ihrer Recherchen auf die ungewöhnlich artifizielle Atmosphäre des Donauparks aufmerksam geworden. Besonders der ehemalige Seepavillon mit seinen minimalistischen Formen und weitläufigen Fensterflächen im International Style erinnerte sie an Museumsbauten wie die Neue Nationalgalerie in Berlin oder das Moderna Museet in Stockholm.
Imre Nagy definierte mit seiner skulpturalen Intervention einer Sitzbank-Lampe einen neuen Aufenthaltsort neben dem Haupteingang des Pavillons. Seine Möbelskulpturen, die ein modernistisches Formenvokabular aufgreifen, operieren oft mit humorvoll übertriebener Funktionalität, die durch die Wahl der Baustoffe oder andere Parameter gleichzeitig destabilisiert wird.
Isabella Kohlhuber, die in ihren Arbeiten metasprachliche und räumliche Strukturen erforscht, ließ von der Straßenmeisterei an der Rampe der Caféterrasse einen „Sperrbereich“ aufbringen. Die minimalistische weiße Bodenmarkierung schuf eine eigenartig aufgeladene, ihrer alltäglichen Funktion im Straßenverkehr beraubte „Leerstelle“. Sehr nüchtern und prägnant erinnerte diese an die ehemalige Verwendung des Terrains.
Ein anderes Alltagsobjekt war Ausgangspunkt für Benjamin Hirtes Skulptur eines Schlüsselrings. Monumental auf einen Durchmesser von 120 cm vergrößert, changierte der Ring zwischen autonomer Skulptur und surrealem Objekt. So verloren wie der Ring im Areal lag, erinnerte er auch an den Begriff der „drop sculpture“, der eine Form der Kunst im öffentlichen Raum kennzeichnet, die wie vom Himmel gefallen wirkt und keinen Bezug zu ihrem räumlichen und sozialen Kontext sucht.
Axel Koschiers Werk hingegen beschäftigte sich mit der besonderen Fensterkonstruktion des Korea-Kulturhauses. Die Bedeutung des Blicks nach draußen auf die Landschaft, die heute in zahlreichen modernen Museumsbauten zelebriert wird, wurde hier schon früh realisiert. Koschier verdrehte diese mittlerweile klassische Situation, indem er sogenannte Innenraumkunst nach draußen stellte. Die ausgehend von Fotos von Mischpfannen eines Aquarellkastens auf Fallschirmseide übertragenen malerischen Bilder wurden wie Dias zwischen Glas mit Silikon verfugt, gerahmt und somit wasserfest für den Außenraum ausgerüstet. In einem eleganten Stahlgestell montiert brachten die chimärenhaften Bildobjekte die überdrehte visuelle Situation des Ortes auf den Punkt.
Text (gekürzt): Cosima Rainer
Ort
Korea-Kulturhaus, Arbeiterstrandbadgasse 122, Pavillon am Irissee, Donaupark, 1220 Wien
Galerie
Weiterführende Info
KünstlerInnen
Steffi Alte, Belén, Sunah Choi, Benjamin Hirte, Isabella Kohlhuber, Roland Kollnitz, Axel Koschier, Christoph Meier, Imre Nagy, Andreas Perkmann Berger
DJ / Performance
Sujin Bea, Nicolas Jasmin, Thomas Hesse, Bernhard Rasinger/BR-Laser, Nikolais Ruchnewitz
Ausstellungskonzept und Projektleitung
Isabella Kohlhuber, Imre Nagy
Koordination Korea-Kulturhaus
Taiyoung Ha
Partner und Förderer
Korea-Kulturhaus Österreich, Bundeskanzleramt Österreich, Federal Chancellery of the Republic of Austria
Zeitraum
26. September 2015 – 31. März 2016
Vermittlung - Veranstaltungen
- Eröffnung Freitag, 25. September 2015 / 17:00
- Finissage und Präsentation der Publikation Donnerstag, 31. März 2016 / 17:00